Woher stammt Wobbeke Nortmann?

(Bernd Josef Jansen)

Wobbeke von Langen?

Der in der Sögeler Bauernschaft Wahn lebende Halbbeerbte Thomas Nortmann wird erstmal 1652 im Kommunikantenregister mit seiner Frau Wobbeke und zwei Dienstboten (einem Knecht namens Schwibertus und einer Magd namens Hilla) erwähnt. Kinder des Paares werden in diesem Register nicht genannt, sie müssen noch weniger als 12 Jahre alt und deswegen nicht zur Osterkommunion zugelassen gewesen sein, oder sie lebten selber als Dienstboten in einer anderen Familie. Das Vorhandensein von zwei Dienstboten ist ein Hinweis darauf, dass die Familie in relativ guten finanziellen Umstanden gelebt zu haben scheint. Thomas Nortmann stirbt am 25. August 1687 in Wahn, seine Frau Wobbeke ebenda am 2. September 1678. Aus welcher Familie Wobbe stammt, wird an keiner Stelle erwähnt. Der 1994 verstorbene Kölner Genealoge Dr. Franz Joseph Goldmann hat vermutet, sie sei eine geborene von Langen aus dem Wahner Zweig dieser Familie. Chronologisch wäre sie dann ehr eine Tochter von Heinrich von Langen gen. Claßen (* um 1595 + 1691), auch wenn sie oft als dessen Schwester und Tochter des Nikolaus von Langen (* um 1570 + nach 1625) vermutet wird. Hierfür gibt es auch verschiedene Indizien, so trägt eine Tochter von Wobbeke den typische "von Langen-Vorname" Brigitte. Diese ist Taufpatin bei dem 1666 geborenen Sohn Heinrich von Hermann Schomaker und Brigitte Henrichs Claßen (von Langen), der Tochter von Heinrichs. Bei den fünf anderen Kindern des Paares Schomaker/von Langen kommt allerdings kein Nortmann-Verwandter als Pate vor. Brigitta Nortmann ist ebenfalls 1669 Taufpatin bei der Geburt von Genovefa Horstmann, der Tochter von Nikolaus Horstmann gen. Claßen und Margaretha von Langen, einer anderen Tochter des Heinrich Claßen von Langen. In beiden Fällen wäre Brigitte eine ältere Cousine des getauften Kindes. Die Angabe, Nikolaus von Langen habe einen Sohn und einen Enkel Heinrich (letzterer geboren um 1615 und angeblich gestorben 1665) halte ich für unrichtig. Das Kommunikantenregister 1652 führt nur einen Heinrich mit seiner Frau Angela auf. 1665 ist auch kein Heinrich im Sterberegister eingetragen, sondern nur ein Goeke Henrichs von Langen. Der einzige Heinrich stirbt 1691 angeblich "ultra 100 annos" alt, was aber wohl nur wage geschätzt ist, wie die meisten Altersangaben zu dieser Zeit - in den Neunzigern kann er aber durchaus gewesen sein.

Heinrich Langen (um 1667-nach 1718) ist mit Sybilla Nortmann, einer Enkelin von Wobbeke Nortmann, verheiratet. Wäre Wobbeke die Tochter von Nikolaus, wären die Eheleute nach der oberen Grafik im 3:3 Grade blutsverwandt, wäre sie die Tochter von Heinrich, wäre die Verwandtschaft 2:3 Grades. Selbst wenn es zwei Heinriche gegeben hätte und Wobbeke die Tochter von Nikolaus wäre, gäbe es immer noch eine Verwandtschaft 4:3 Grades. All diese Verwandtschaften sind nach dem katholischen Kirchenrecht verboten und deswegen dispenspflichtig. Der Hochzeitseintrag von Heinrich Langen und Sybilla Nortmann erwähnt aber keinen Dispens, während der Pfarrer bei anderen Trauungen zu dieser Zeit die erteilten Dispense erwähnt. Dies spricht gegen eine Abkunft von Wobbeke aus der Familie von Langen aus Wahn.

Wobbeke Nortmann 1

Wobbeke Benes?

Völlig außer Acht gelassen wurde bisher die Tatsache, dass Thomas Nortmann und Wobbeke einen Sohn namens Georg/Jürgen haben. Dieser auch recht seltene Vorname kommt besonders bei der Familie Benes in Sögel vor. Jürgen Benes heiratete 1611 Brigitte von Langen, die Tochter des Sögeler Pfarrers Heinrich von Langen und der Wobbeke Kösters. Das Paar Benes/von Langen hat neben einer Tochter Brigitte, die den Kaufmann Lambert Holtmann in Werlte heiratet, einen Sohn Bernd, der die Erbtochter des Hofes Kloster gen. Mönnich heiratet und zwei unverheiratete Kinder namens Johann und Hermann. Der zweite Sohn Georg/Jürgen Benes wird 1623 geboren und übernimmt den Hof sowie das Kaufmannsgeschäft seines Vaters. Könnte Wobbeke vielleicht eine Tochter von Jürgen Benes und Brigitte von Langen sein? Dass dieses Paar eine Tochter mit diesem Namen hatte, ist sehr wahrscheinlich. Nach der damaligen Tradition wurden Kinder in der Regel nach ihren Großeltern benannt, und Brigitte von Langens Mutter hieß Wobbeke Kösters.

Eine mögliche Verwandtschaft mit der Familie Benes sollte sich bei den Nortmanns in Wahn anhand von Patenschaften nachweisen lassen. Als Taufpaten und Taufzeugen wurden meist Geschwister der Eltern des Täuflings und deren Ehepartner bevorzugt. Aber auch Großeltern und weiter entfernte Verwandte wurden gerne als Paten gewählt. Andere Personen wie Nachbarn oder Honorationen des Ortes kommen auch als Paten in frage. Die Paten entstammen meist der gleichen Generation wie die Eltern des Kindes - hätten wir also die Taufpaten der Kinder von Thomas Nortmann und Wobbeke, wäre dies sehr aussagekräftig. Leider wurden diese Kinder alle vor Beginn des ältesten erhaltenen Kirchenbuches von Sögel getauft, da dieses erst 1662 beginnt. Da aber auch entfernte Verwandte wie Vettern usw. als Paten vorkommen, lässt sich trotzdem aus solchen Patenschaften Rückschlüsse auf Verwandtschaften ziehen, auch wenn diese Verwandtschaft schon eine Generation zurückliegt. Wobbekes ältester Sohn Bernhard Nortmann heiratet 1673 Anna Lehmhaus, die Witwe des Sögeler Beerbten Lambert Niemann. Das erste Kind Sybille wird 1675 geboren und hat als erste Taufpatin Christina Horstmann geb. Holtmann, eine Tochter von Lambert Holtmann und Brigitte Benes. Wobbekes Tochter Brigitte heiratet 1667 den Sögeler Beerbten Hermann Gerdes von Münster. Die erste Tochter des Paares wird 1668 auf den Namen Margaretha getauft. Paten sind Jürgen Benes, Sybilla Nortmann und Christina Holtmann. Jürgen Benes ist mit Hermann von Münsters Schwester Margaretha von Münster verheiratet, was seine Patenschaft erklärt, aber Christina Holtmann ist wiederum die Tochter von Brigitte Benes.

Deutlich wird eine mögliche Verwandtschaft der Familien Nortmann und Benes auch bei den Taufen in der Familie Benes. Jürgen Benes (*1624 + 1675), der Sohn von Jürgen Benes dem Älteren, hat einen Sohn Heinrich * 1668, bei dem Thomas Nortmann Taufpate ist. Ein älterer Bruder dieses Heinrich, der ebenfalls Jürgen Benes heißt und um 1655 geboren wurde, ist wiederum Pate bei zwei Kindern von Thomas Nortmanns Tochter Margaretha, die mit dem Sögeler Beerbten und Gerichtsschöffen Johann Niemann verheiratet ist. Brigitte Benes (eine Tochter von Jürgen Benes und Brigitte von Langen) und deren Ehemann Lambert Holtmann haben einen Sohn Lambert Holtmann, bei dessen Sohn Georg wiederum Heinrich Nortmann, der Sohn von Thomas, Pate ist. Brigitte Holtmann, eine Tochter des Paares Benes/Holtmann ist mit Lübbert Horstmann in Waldhöfe verheiratet. Deren 1673 geborene Tochter Brigitte Horstmann hat Bernhard Nortmann zum Paten, einen anderen Sohn von Thomas Nortmann.

Bei den Kindern von Thomas Nortmann und Wobbeke ist bei der Wahl der Ehepartner auffällig, dass diese aus wohlhabenden Familien stammen. Der älteste Sohn und Hoferbe Bernhard Nortmann heiratet Anna Lehmhaus, die Witwe des Sögeler Kirchenvorstehers Lambert Niemann. Der Hof Lehmhaus gehörte zu den bestbegütertsten des ganzen Hümmlings, da neben großem Landbesitz auch noch eine nicht unerhebliche Fläche Wald eine reiche Einnahmequelle durch den Verkauf von Holz bot. Auch Annas erster Ehemann Lambert Niemann war als Kaufmann recht wohlhabend. Thomas Nortmanns Tochter Sybilla heiratet 1661 den ebenfalls sehr reichen Bauern Hermann Hilling in Niederlangen. Der Hof Hilling gehörte zu den drei größten Höfen, die entlang der Ems lagen. Das Sprichwort "Hilgen, Wilgen, Waterloh häbt an de Eems dat meiste Stroh" (Hilling (Niederlangen), Wilgmann (Rhede) und Waterloh (Düthe) haben an der Ems das meiste Stroh=Land) zeugt davon. Zudem war Hermann Hillings Mutter Anna Hilling in erster Ehe mit dem Düther Richter Caspar von Langen verheiratet. Thomas und Wobbekes zweiter Sohn Jürgen/Georg heiratet 1674 die Erbtochter von Hof Sanders in Wippingen und wird dort Beerbter. Auch sein Bruder Heinrich heiratet eine Erbtochter namens Hempe Scholampen in Werlte. Die Tochter Brigitta Nortmann heiratet 1667 den reichen Beerbten und Bierbrauer Hermann von Münster, dessen Schwester Margaretha um 1655 den 1623 geborenen Jürgen Benes heiratete. Die jüngste Tochter Margaretha Nortmann heiratet 1680 den Beerbten und Gerichtsschöffen Johann Niemann, den Sohn ihrer Schwägerin Anna Lehmhaus aus deren erster Ehe mit Lambert Niemann. Margarethas Bruder Bernhard Nortmann ist somit gleichzeitig ihr Stiefschwiegervater. Eine weiter Tochter von Anna Lehmhaus und Lambert Niemann ist wiederum die Ehefrau von Jürgen Benes (*um 1655).

Resümee

Bei den Kindern des Paares Thomas Nortmann und Wobbeke lässt sich ein gesellschaftlicher Aufstieg der Familie feststellen, der alleine durch die väterlichen Familie Nortmann in Wahn kaum zu erklären ist. Der sich auch in den Folgegenerationen zeigende Heiratskreis besteht aus einer Gemengelage von Großbauern, Kaufleuten sowie kirchlichen und administrativen Amtsträgern. Die dazu nötige Reputation sowie der finanzielle und gesellschaftliche "background" dürfte also durch Thomas Ehefrau Wobbeke in die Familie gekommen sein. Eine bisher vermutete Abstammung von der Wahner Familie von Langen ist zwar möglich, aber wenig wahrscheinlich. Die Wahner von Langen waren einfache Halbbeerbte und auch die Ehefrauen in dieser Familie entstammen meist dem normalen bäuerlichen Umfeld. Die unter den Kindern von Thomas Nortmann vorkommenden seltenen Vornamen Jürgen/Georg und Brigitte sowie eine Reihe von gegenseitigen Patenschaften lassen ehr den Schluss zu, dass es sich bei Wobbeke um eine Tochter von Jürgen Benes und Brigitte von Langen handelt. Einen Beweis hierfür gibt es aufgrund der schlechten Quellenlage freilich nicht.