Prälat Johannes Marschang
(Text: Gottfried Daum)
Am 18. Dezember 1978 verstarb Prälat Johannes Marschang im hohen Alter von fast 95 Jahren. Er erlebte das Kaiserreich, den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik, das tausendjährige Reich mit dem 2. Weltkrieg und 30 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Zeitepochen unserer Geschichte, die unsere Generation nur noch teilweise aus Geschichtsbüchern kennt.
Am 28. Februar 1884 wurde Johannes Marschang in Altendorf, Kreis Essen geboren. Schon früh entdeckte sein Vater, der Revisor Johann Marschang, die Neigung seines ältesten Sohnes zu Büchern und Studien und schickte ihn von 1897 bis 1905 auf das Gymnasium in Essen-Borbeck. Nach seinem Abitur siedelte Johannes Marschang nach Bonn über und studierte dort in der philosophischen und theologischen Fakultät. Daneben widmete er sich dem Studium der Nationalökonomie. Politisch interessiert, trat er in die Zentrumspartei ein.
Seiner Berufung folgend, legte er im Jahr 1908 sein theologisches Zulassungsexamen für das Priesterseminar Köln ab. Nach seiner Priesterweihe wurde Joh. Marschang am 6. März 1909 durch den Kölner Kardinal und Erzbischof Dr. Antonius Fischer als Pfarrvikar nach Borschemich berufen, wo er den kranken Pfarrer vertreten mußte. Am 13. Mai 1912 erfolgte sine Versetzung nach Baesweiler b. Aachen, wo er als Kaplan bis zu, 4. Dezember 1913 tätig war. Am 6. Dezember 1913 wurde Joh. Marschang an die Pfarrei St. Johann Bapt. zu Anrath berufen.
In Anrath widmete er sich sehr intensiv über 9 Jahre dem Kath. Jünglingsverein, dessen Präses er war. Seine besondere Sorge galt nach dem 1. Weltkrieg den heimkehrenden jungen Soldaten, die es oft schwer hatten, wieder Anschluß an das Kath. Vereinsleben zu finden.
Der damalige Gefängnisgeistliche des Gefängnisses Anrath, Dr. Peter Limberg, wurde sehr bald auf den emsigen Anrather Kaplan aufmerksam und bewog ihn, sich der Seelsorge der Inhaftierten zu widmen. Bereits am 23.8.1921 wurde er durch den damaligen Anstaltsdirektor Poth als Hilfsgeistlicher eingestellt. Ihm wurden die Aufgaben übertragen, Gottesdienste im Gefängnis abzuhalten, Zellenbesuche durchzuführen und Religionsunterricht im Männergefängnis zu erteilen. Hilfsaufgaben wurden ihm in allen Fürsorgesachen übertragen, daneben die Überwachung und Verteilung der Gefangenenpost.
Der Gefängnisverwaltung war er stets ein unbequemer Mann, der sich nicht so einfach anpaßte. Als er im Jahre 1922 den Treueeid auf die Reichsverfassung ablegen sollte, machte er geltend, daß er sich nur der kirchlichen Obrigkeit verpflichtet fühle und seine Anstellung als hauptamtlicher Pfarrer nur durch seinen Erzpriester (Dekan) erfolgen könne. Schließlich wurde nach einem umfangreichen Schriftverkehr mit der weltlichen und kirchlichen Behörde die Lösung gefunden, dass er vor Staatsanwalt Schulz und Dechant Reinarz den Treueeid auf die Verfassung des Freistaates Preußen am 26.11.1922 ablegte.
Im Jahre 1933 begann für den Anstaltspfarrer Marschang ein schwerer Berufsweg, als er sich als Beamter widersetzte, der NSDAP beizutreten. Ohnehin als früheres Zentrumsmitglied verdächtig, war er lediglich bereit, am 1.10.1935 der NSV und am 1.2.1937 dem Reichskolonialbund beizutreten. Misstrauisch wurde seine Pilgerreise im Juli 1936 nach Rom und seine Reise im Jahre 1937 zur Weltausstellung nach Paris beobachtet. Ihm war noch nicht vergessen, daß er sich im Jahre 1934 weigerte, seine Verpflichtung auf den Führer abzulegen.
Ab dem Jahre 1939 wurde seine Tätigkeit als Anstaltsgeistlicher zunehmend behindert. Neben dienstlichen Rügen wegen seiner verbotenen Reisen ins Elsaß zu Verwandten wurde er für die Gefängnisverwaltung zu einem Risiko wegen seiner intensiven Kontakte zu den politischen Häftlingen. Nach der Angliederung Österreichs und der Niederwerfung Frankreichs wurden in die Anrather Strafanstalt viele führende Mitglieder der Österreichischen Königspartei und französische Priester, Ordensleute und Intellektuelle eingeliefert. Da es auf Anordnung der SS den Vollzugsbediensteten verboten war, Kontakte zu den politischen Häftlingen zu unterhalten, war es nur noch der Anstaltsgeistliche, der manches Lebenszeichen von den Inhaftierten den im Ausland wohnenden Angehörigen übermitteln konnte, bis auch ihm zeitweise diese Kontakte verboten wurde. Schließlich war man des widerspenstigen Geistlichen überdrüssig und versetzte ihn einfach am 1. Mai 1941 an die Untersuchungshaftanstalt Breslau. Doch auch dies gelang dem Reichsminister der Justiz in Berlin nicht, denn die Ärzte bescheinigten dem Geistlichen, dass er in seiner Gesundheit geschwächt sei und den neuen Dienst keinesfalls aufnehmen könne.
Das damals übliche Treuedienstehrenzeichen für eine 20jährige Tätigkeit im öffentlichen Dienst wurde Pfarrer Marschang durch den Reichsminister mit Schreiben vom 7. Dez. 1942 an den Generalstaatsanwalt in Düsseldorf verwehrt, weil der Pfarrer wiederholt mit Durchstechereien (Übermittlung von Nachrichten) auffällig geworden sei. Unbeirrt widmete sich Pfarrer Marschang weiterhin mit aller Hingabe den politischen Häftlingen trotz schwerer Angriffe durch politische Beamte, SS-Angehörigen und SA-Leuten, die für die Bewachung der politischen Gefangenen verantwortlich waren. Schließlich reiste am 14. Oktober 1943 der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt selbst nach Anrath, um den widerspenstigen Geistlichen zur Ordnung zu rufen, der den Anordnungen des Anstaltsdirektors nicht nachgekommen war, ostmärkische Gefangene vom Gottesdienst auszuschließen und diese Gefangenen nur unter Aufsicht seelsorgerisch zu betreuen.
Wie der Generalstaatsanwalt feststellte, bot ihm dieser Geistliche keinen erfreulichen Anblick. "Ein Mann, der seine Stellung nicht kenne, den genügenden Abstand zu Insassen nicht halte und seine Beamtenpflichten verletze". Pfarrer Marschang wurden Unannehmlichkeiten angedroht, falls er seine Beamtenpflichten auch weiterhin gering achte. Schließlich wurde ihm nahegelegt, im Hinblick auf seinen Gesundheitszustand den Abschied einzureichen. Trotz einer zuvor erfolgten schweren Magenoperation lehnte der Pfarrer dieses Ansinnen ab und übernahm neben der Seelsorge im Gefängnis Anrath noch zusätzlich seelsorgerische Aufgaben im Gefängnis Krefeld.
Als im Jahre 1944 damit begonnen wurde, die politischen Gefangenen in Gefängnisse des Reichsgebietes jenseits des Rheines zu verlegen, beruhigte sich allmählich die Situation und der Druck auf Pfarrer Marschang ließ nach. Bitter muss bei dem Geistlichen aufgestoßen sein, als er am 7. Sept. 1947 vom Düsseldorfer Justizminister eine Ehrenurkunde für 25jähriger treuer Pflichterfüllung in der Justiz erhielt.
Nach Kriegsende traf bei Prälat Marschang bündelweise Dankespost aus Österreich, Frankreich und aus Übersee ein. Briefe von Menschen, die in der schweren Zeit ihrer politischen Verfolgung von diesem tapferen Mann Beistand und Trost erhielten. Seine Verdienste wurden im Jahre 1942 von Papst Plus XII. mit der Ernennung zum Prälaten gewürdigt. Die Urkunde wurde jedoch dem Geistlichen erst im Jahre 1944 zugestellt.
Nach 40jähriger Priestertätigkeit und 28jähriger Tätigkeit als Strafanstaltspfarrer trat Prälat Marschang am 1.3.1949 in den Ruhestand. Doch als Seelsorger blieb er weiterhin im Anrather Krankenhaus und bis kurz vor seinem Tode im Altenheim St. Josef tätig.
Seine Verdienste wurden im Jahre 1973 durch die Stadt Willich mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechtes gewürdigt. Der 89jährige Geistliche wurde damit der erste Ehrenbürger der neuen Stadt Willich. Im Jahre 1974 konnte der 90jährige Priester das seltene Fest des "Eisernen Priesterjubiläums" feiern.
Fast wäre Prälat Johannes Marschang 95 Jahre alt geworden, als er am 18. Dez. 1978 verstarb. Mit ihm verschied ein Priester, der stets gradlinig seinen Weg ging und sich nur seinem Herrgott verpflichtet fühlte; weltliche Gewalt dort ablehnte, wo die Menschenwürde nicht mehr geachtet wurde.
(Bild u. Text: Gottfried Daum, Anrather Heimatbuch 1981, S. 13-14, mit freundlicher Genehmigung des Bürgervereins Anrath)
Johannes Marschang war ein Vetter meiner Urgroßmutter:
Johann Peter Arens 1813-1891 | ||
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Josef Arens 1864-1935 | Maria Elisabeth Arens 1855-1929 | |
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Johanna Friederika Arens 1890-1960 | Johannes Marschang, 1884-1978 | |
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Josef Anton Philipps 1914-1976 | ||
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Frieda Philipps 1939 | ||
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Bernd Josef Jansen 1969 |