Paul Pommer - Der unpflegliche Gotteshauspfleger
(Bernd Josef Jansen)
Paul Pommer wurde in dem kleinem, etwa 2 km nordöstlich von Nürnberg gelegenen Weiler Weigelshof geboren und am 21. August 1728 in der nahen Kirche St. Jobst getauft. Weigelshof bestand damals aus 8 Anwesen und hatte etwa 40 Einwohner. Die Familie Pommer war seit 1649 in Weigelshof ansässig; in diesem Jahr heiratete Pauls Urgroßvater Johann Pommer Kunigunde, die Witwe des Weigelshofer Bauern Johann Rieß. Pauls Vater Paul Pommer (1703-nach 1766) war Gotteshauspfleger, Bauer und Dorfhauptmann, wie schon dessen Vater Johann (1656-1727) und Großvater Johann (um 1625-1703) vor ihm. Der Dorfhauptmann war für die Verbreitung und Befolgung landesherrlicher Gesetze und Befehle zuständig, überwachte die Dorfgemeinschaft und den Flurzwang, hob die waffenfähigen Männer auf, befehligte sie und setzte den Dorfhirten ein. Die Gotteshauspfleger (es gab derer immer zwei, die nach dem Vier-Augen-Prinzip gemeinschaftlich handelten) unterstanden der Aufsicht des Pfarrers, der aber kein Weisungsrecht ihnen gegenüber hatte. Sie verwalteten verantwortlich die Kirchengüter und das Bauwesen, organisierten Bau- und Reparatur der Kirche oder am Pfarrhof, dem Pfarrhaus und der Pfarrscheune oder am Schulhaus. Einnahmen und Ausgaben der Kirchengemeinde wurden in Gotteshausrechnungen notiert und jährlich dem Pfarrer zur Kontrolle vorgelegt. Den Ausgaben an Gebäuden oder Dingen wie Kommunionwein, Oblaten für das Abendmahl, liturgischen Gewändern usw. standen Einnahmen aus Verpachtungen von Kirchengut, Zinsfluss von verliehenem Geld und die Einkünfte aus der Kollekte gegenüber. Sowohl das Amt des Dorfhauptmannes, als auch das des Gotteshauspflegers waren angesehene Ehrenämter, die meist innerhalb der Familie vererbt wurden. Eine gewisse "Anständigkeit" und tadellose Lebensführung wurden dabei vorausgesetzt - aber nicht immer eingehalten...
Am 1. Weihnachtstag des Jahres 1748 taufte der Pfarrer von St. Jobst den am vorigen Heiligabend geborenen unehelichen Sohn Georg von Paul Pommer und der Helena Bammes. Dieses Weihnachtsgeschenk wir sicher nicht jedem in der Familie uneingeschränkte Freude bereitet haben. Georg Bammes, der Vater der Kindsmutter, war ebenfalls Dorfhauptmann, allerdings in Ziegelstein, etwa 3 km nördlich von Weigelshof, wo das Kind auch geboren wurde. Wenigstens blieb man unter sich. Vor Jahresende wollte man wohl noch die leidige Geschichte zu einem guten Ende bringen, denn am 30. Dezember notierte der St. Jobster Pfarrer lakonisch:
"Paulus Pommer, des Paulus Pommers, Bauers in Weigelshof E[helicher] S[ohn] u. Helena Bammesin des Georg Bammes, Bauers u. Dorfhauptmanns in Ziegelstein E[heliche] T[ochter] wurden, nachdem sie sich in Untzucht mit einander vergangen, wegen gewisser obwaltende Umstände ohne viele Weitläuffigkeiten vor dem Bette der Dirne copuliert"
Man kann sich die Situation gut vorstellen: im engen Schlafzimmer zusammengepfercht die Brautleute, deren Eltern, der Pfarrer und die Trauzeugen, das Kind daneben in der Wiege. Fehlt nur noch die Schrotflinte des Schwiegervaters, der den Bräutigam damit in Schach hält, und man hat ein wunderschönes Westernklischee aus Hollywood... Aber zurück zu den Fakten. In den nächsten 16 Jahren werden dem Paar weitere 11 Kinder in Ziegelstein und in Weigelshof geboren, von denen allerdings die Hälfte nach wenigen Tagen, Wochen oder Monaten sterben. Fünf Tage nach der der Taufe des zwölften Kindes wird Helena Bammes am 15. Januar 1765 in St. Jobst beerdigt. Offenbar starb sie, erst 35 Jahre alt, an den Folgen der Geburt, auch wenn dazu im Kirchenbuch nichts verzeichnet ist.
Nach einem Jahr Witwerstand heiratete der nun 37jährige Paul Pommer am 2. April 1766 in Kraftshof die aus Lohe stammende 25jährige Kunigunda Pfann. Auch deren Vater Paul Pfann war in seiner Kirchengemeinde Kraftshof 27 Jahre lang Gotteshauspfleger. Es scheint wirklich so zu sein, dass die Familien der Gotteshauspfleger einen relativ geschlossenen Heiratskreis bildeten, denn auch Paul Pommers Mutter Christina Walbinger war Tochter und Enkelin eines Gotteshauspflegers. Siebeneinhalb Monate später wird in der Nacht des 17. Novembers 1766 die erste Tochter namens Gertraud in Weigelshof geboren und von der Hebamme notgetauft, jedoch ist sie "nach etlichen Stunden wieder verschieden". Der Pfarrer hatte allerdings nachgerechnet, denn er trug das Kind als "illegitim" ins St. Jobster Taufregister ein, mit dem Verweis, dass die Eltern erst am 2. April geheiratet haben. Nach Geburt eines weiteren Kindes im übernächsten Jahr werden dem Paar keine weiteren Kinder geboren. Da die Ehefrau mit 27 Jahren noch im gebärfähigen Alter war, ist dies ungewöhnlich. Denkbar ist vielleicht eine Komplikation bei dieser zweiten Geburt, nach der Kunigunda keine weiteren Kinder mehr bekommen konnte. Sie stirbt mit nur 39 Jahren und wird am 21. Januar 1780 in St. Jobst beerdigt. Der Pfarrer hat ins Sterberegister die Bibelstelle eingetragen, über die er die Leichenpredigt gehalten hat: Phil. 3, 20.21 "Unsere Heimat aber ist im Himmel. Von dorther erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes, in der Kraft, mit der er sich alles unterwerfen kann." Auch dieser Text kann Hinweis sein auf eine Krankheit Kunigundes.
Fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Tod seiner zweiten Frau Kunigunde heiratet Paul Pommer am 15. Januar 1781 ein drittes mal, und zwar deren leibliche Schwester Margaretha Pfann. Der Bräutigam ist 52 Jahre alt, die Braut 30. Die Trauung findet aber nicht wie üblich in der Kirche statt, sondern "im Pfarrhaus in aller Stille". Der Grund dafür ist ersichtlich. Der Pfarrer von St. Jobst schreibt dazu einen bitteren Kommentar ins Trauregister:
"NB. Dieser Paul Pommer, ohneracht er verpflichteter Gotteshauspfleger war, hat doch ohne Vorwissen des drz. hochverordneten Stiftungspflegers, Hlo. E.E. Stromers hochwohlgeb. Gnaden, u. ohne mir eine Silbe davon zu sagen, bey d. löbl. Kyrchenamt in Nbrg. die dispensation seines verstorbenen Weibes leibl. Schwester zu heyrathen zu dürfen gesucht und auch erhalten, da in den ähnl. u. dergleichen vorigen Fällen iederzeit ein zeitiger Pleger durch den Pastoren Nachricht erhalten, u. die Sache ist verfüget, daß das halbe Dispensationsquantum das hiesige arme Gotteshaus empfangen, das ist wohl ein Gotteshauspfleger, aber kein Pfleger desselben."
Die Heirat mit der Schwester seiner verstorbenen Frau war kirchenrechtlich verboten, da durch die erste Eheschließung eine Verwandtschaft zur Schwägerin entstanden war. Von diesem Ehehindernis konnte man aber durch einen Dispens befreit werden. Dire Kirche St. Jobst war aus der 1356 geweihten Kapelle des dortigen Sichkobels (Leprosenhaus für Männer und Frauen) hervorgegangen und erst 1696 zur einer eigenen Pfarrei erhoben worden. Kirche und Sichkobel unterstanden einem Stiftungspfleger, der von der Pfarrei St. Sebald eingesetzt wurde. Um einen Dispens von einem Ehehindernis zu erhalten, musste der zuständige Pfarrer über den Stiftungspfleger beim Kirchenamt in Nürnberg einen Antrag stellen. Dieser normale Rechtsweg war von Paul Pommer hier umgangen worden, wodurch sich der Pfarrer natürlich übergangen fühlte. Zumindest die Hälfte der Gebühr für den Dispens kam dennoch der Kirche St. Jobst zugute. Vielleicht war es eine Akt der Rache des Pfarrers, dass er die anschließende Trauung nur "in aller Stille" im Pfarrhaus vollzogen hat, statt eine feierliche Zeremonie in der Kirche abzuhalten. Strafe musste schließlich sein...
Margaretha Pfann gebar ihrem Mann drei Kinder, das letzte und somit 17. Kind ihres Mannes, die am 4. Oktober 1787 in Weigelshof geborene und am Tag darauf in St. Jobst getaufte Tochter Margaretha Catherina Pommer ist meine vierfache Urgroßmutter. Auch die dritte Ehefrau von Paul Pommer erreichte, wie ihre drei Vorgängerinnen, nicht einmal ihr 40. Lebensjahr, sondern verstarb mit nur 38 Jahren in Weigelshof und wurde am 29. Januar 1789 in St. Jobst beerdigt. Schon drei Monate später am 27. April 1789 heiratete der mittlerweile 60jährige Paul Pommer die 48jährige Jungfer Rebecca Maria Schwarz aus Weigelshof. Rebeccas Vater Johann Schwarz war diesmal kein Gotteshauspfleger, sondern Bestandgärtner und "Schweinestecher". Kinder gab es aus dieser Ehe keine mehr. Paul Pommer starb am 13. März 1808 in Weigelshof am "Brand" und wurde fünf Tage später in St. Jobst beerdigt. Er war, wie das Sterberegister mitteilt, 79 ½ Jahre alt und zum Zeitpunkt seines Todes "ältester Gotteshauspfleger" von St. Jobst. Rebecca Schwarz überlebte ihren Mann um 12 Jahre und starb 80jährig am 2. Dezember 1820 in Weigelshof. Sie wurde zwei Tage später in St. Jobst beerdigt.
Paul Pommer 1728-1808
|
Margaretha Catherina Pommer 1787-1829
|
Konrad Meier 1822-1866
|
Theresia Meier 1863-1935
|
Friedrich Anton Philipps 1887-1959
|
Josef Anton Philipps 1914-1976
|
Frieda Philipps 1939
|
Bernd Josef Jansen 1969