Die Familie Hansen in Heede, ein Bastardzweig der Herren von Scharpenberg?

(Bernd Josef Jansen)

Die Scharpenborg in Groningen (1. Teil)

Vorbemerkung: der Namen der Familie variiert in den Dokumenten vielfach: Scharpenberg, Scharpenborg, Scherpenborg, Scharffenberg/-borg usw. Ein gutes Beispiel ist der unten abgebildete Grabstein des Vollrath Nagel von Scharpenberg. In der Umschrift wurde sein Name "Scharffenberg" geschrieben, das dazugehörige Wappen ist aber mit dem Schriftzug "Scharpenborg" versehen. Ich nutze in diesem Artikel die Variante Scharpenberg für die adeligen Mitglieder, Scharpenborg für die bürgerliche Familie in Heede und Groningen.

Am 24.10.1618 heiratet in Groningen die "woledl: Ehr en[n] dogentrijke Juff. Margrieta geborn va[n] Scharpenborch Zal: Volraet v. Scarpenborch ehelicke nagelatene Dochter"  den Junker Gerhard Clant. Mitglieder der adeligen Familie Clant waren seit Mitte des 14. Jh. Häuptlinge im etwa 10 km östlich von Groningen gelegenen Scharmer, gehörten zum Groninger Patriziat und waren regelmäßig Ratsherren und Bürgermeister der Stadt. Gerhard Clant, der um 1565 geborene Sohn des Bedumer Pastors Johann Clant und der Anna Stillinck, hatte als Soldat bei den Truppen der Generalstaaten gekämpft, war 1594 nach Groningen zurückgekehrt und hatte zu unbekannter Zeit vor dessen Tod 1607 die Burg Scharmer von seinem Onkel Egbert Clant gekauft. Gerhard war bei der Trauung 1618 Witwer, seine erste Frau Mechelt van der Doist hatte er schon um 1590 geheiratet. 1621 fiel er beim Feldzug der spanisch-niederländischen Truppen in der Pfalz. Die Vermögensverhältnisse der Familie waren offenbar nicht gut, denn nach dem Tode Gerhards wurde die Burg Scharmer noch 1621 gerichtlich versteigert. Zur Burgstelle Scharmer gehörten damals Haus, Hof, Burggraben, Stall und Scheune, sowie Ackerland, beginnend westlich der Burg, der "Alten Ee" im Osten, vom Benningschloot im Norden bis zur Kloosterlaan im Süden, desweiteren laufend über die "Alte Ehe" und die Hornevenne, mit allen Gerechtigkeiten. Käufer wurde für 14.000 Gulden die Stadt Groningen, die das Haus mit Hof, Kanälen, Fischerei und Venen für 90 Taler jährlich direkt wieder an Clants Witwe Margarete von Scharpenborch vermietete, mit dem Recht, so viel Torf zu graben, wie sie für ihren Haushalt gebraucht; die übrigen Ländereien wurden an andere Pächter vermietet. Kinder aus der Ehe Clant/Scharpenborg sind nicht bekannt, Margaretha heiratete 1623 einen Johann Vinckert, wie lange sie auf Scharmer wohnen blieb und wohin sie später verzog ist nicht bekannt. Schon 1627 verkauft die Stadt Groningen die Burg, ohne die Gerechtigkeiten, an einen Otto Clant, der wohl ein Sohn des 1607 gestorbenen Egbert und somit Vetter Gerhard Clants gewesen ist.

 

Die von Scharpenberg in Heede um 1600

Grabstein Vollrath Nagel von Scharfenberg
Grabstein Vollrath Nagel von Scharfenberg

Margaretha von Scharpenborgs Vater, Vollhardt von Scharpenberg, war Herr zu Niendorf an der Stecknitz und Scharpenburg/Heede. 1568 wird er erstmalig genannt und für sich und seine Geschwister Boldewin, Hans und Anna belehnt mit der Wohnung in Heede, dem Binnenlande, einem Viertel des Zehnten zu Heede, mit Grieps und Benekes Erbe in Lehe, Prickers Haus in Langen, mit drei Haselünner Erben, dem Burglehen auf dem Hümmling, Werneken Erbe in Wahn, mit dem Hof Vorwerk in der Bauerschaft Bunnen im Ksp. Löningen, einem Erbkaten, genannt das Lohaus, im Ksp. Essen/Old. sowie dem halben Zehnten zu Sustrum, dem Hof zu Frackel, dem losen Zehnten von demselben Hof und Hannings Erbe. Er "wurde das von Gott erwählte Werkzeug, durch welches Niendorf a. d. St. zu einer selbstständigen Kirchengemeinde erhoben wurde". 1581 ermöglichte er die Berufung eines Predigers, indem er der Kirche "die Einkünfte einer Vicarie beilegte, welche seine Vorfahren am Johannis-Altar in der Domkirche zu Hamburg gestiftet hatten, worüber er nicht nur die Einwilligung des Domcapitels unterm 13. Nov. 1581, sondern auch des Herzogs Franz unterm 29. Sept. 1592 nebst dem Pfarrpatronat für sich und seine Nachkommen im Gutsbesitz ausbrachte." Er berief den Basthorster Pastor Christianus Rede (alias Rode) zum Prediger in Niendorf." Unter ihm wurde 1596 die Scharpenburg von spanisch-niederländischen Truppen erobert. 1602 war er schon verstorben, denn in diesem Jahr wurde sein Sohn Hans Vollhardt mit der Scharpenburg belehnt. Hans Vollhardt konzentrierte sich auf seine Besitzungen in Niendorf (Schleswig-Holstein) und trat die Scharpenburg an Halbbruder Engelbert von Scharpenberg ab.

Engelbert von Scharpenberg war Vollhardts Sohn von dessen zweiter Frau, einer geborenen von Langen zu Westkreyenburg. Zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters 1598 war er noch minderjährig, also jünger als 21 Jahre. Spätestens 1604 war er verheiratet mit Tetta von Plettenberg. Sein Geburtsjahr wird somit um 1580 anzusetzen sein, gestorben ist er am 20.10.1653. Aus seiner Ehe mit Tetta gingen ein Sohn und vier Töchter hervor: Vollrath Nagel, Anna Almoed, Elisabeth Adelheid, Catharina und Margaretha.

 Vollrath Nagel, der einzige Sohn Engelberts, stirbt 1645 im Alter von nur 29 Jahren. Seine 2,20 x 1,04 Meter große Grabplatte aus Baumberger Sandstein wurde 1973 bei Renovierungsarbeiten unter dem Holzfußboden der alten Heeder Kirche entdeckt und steht heute aufrecht in deren Turm. Die aus der Werkstatt des Rheiner Bildhauers Heinrich Meiering stammende 17 Zentimeter dicke Platte zeigt den Verstorbenen beinahe lebensgroß mit zum Gebet gefalteten Händen und geschlossenen Augen. Die typische Kleidung eines Landadeligen seiner Zeit ist bis ins Detail ausgearbeitet. Auf dem äußeren Rand steht in gotisierenden Buchstaben die Inschrift: "Anno 1616 ist der [....] Woll Edlgebohrn Gestreng undt [...]ft Wollrath Nagell von Scharffenberg, Erbgesessen zur Scharpenborgh undt Borchmann zu Haselünne, auf dieser Welt gebohrn undt Anno 1645 ahm 3. [...] in den Heren entschlaffen, Deszen Seele Gott gnedich sey." Umrahmt wird die Figur von den 16 Ahnenwappen des verstorbenen: links auf der Vaterseite: Scharpenborg, Langen, Vosz, Klae, Kluber, Stafhors(t), Ritzerow und Vrese, sowie rechts auf der Mutterseite Plettenberg, Manninga, Nagel, Oldersum, Torck, Vrese, von Brae und Ewshum. Bei der Zusammenstellung der Wappen sind dem Verfasser zwei Fehler unterlaufen, Vollrath Nagels Ururgroßmutter war keine von Ritzerow, sondern eine von dem Campe, zudem ist das Wappen der Familie von der Kuhla/Kulae falsch mit Clae unterschrieben. Eine Familie Clae hat es nie gegeben, offensichtlich wurde hier das "u" vergessen. Die älteste Tochter Anna Almoed heiratete am 11.7.1646 in Haselünne den aus Lingen stammenden Oberstwachtmeister Hermann Friedrich von Pinninck, der 1657 mit der Scharpenburg belehnt wurde und auf seine Nachkommen vererbte. Damit endete nach 150 Jahren die Geschichte der Familie von Scharpenberg in Heede.

 

Die Scharpenborg in Groningen (2. Teil)

Am 18.6.1653 ließ sich in Groningen "Boldewijn Scharpenborch" in Abwesenheit zur Ehe mit Hermtje Janssen registrieren. Sein Bruder "Hans Scherpenborgh" tritt hierbei als sein Stellvertreter auf.

Aus dieser Ehe werden 7 Kinder geboren und in Groningen getauft: Joannes ~ 22.10.1654, Annichjen ~ 8.2.1657, Aeltjen ~ 31.10.1658, Jan ~ 4.10.1661, Herm ~ 16.2.1664 sowie die Zwillinge Annichjen und Aeltien ~ 16.7.1665. Boldewijn heiratet noch zwei mal, und zwar am 20.2.1667 in Sappemeer (Aufgebot in Groningen am 28.9.1667) die Ida Renemans und am 26.9.1676 in Groningen die Annegien Stevens, die Witwe von Jan Frericx. Bei dieser dritten Ehe wird Boldewijn als Fähnrich bezeichnet, als Vormund der Annegien Stevens wird ihr "Neve" Arent Stevens genannt. Neve/Neffe hatte zu dieser Zeit meist die Bedeutung Vetter.

Am 4.10.1656 hatte in Groningen "Arent Stewes" die "Trientje Scharpenborghs" geheiratet. Als Trientjes Vormund tritt wiederum "Hans Scharpenb. als Broder" auf. Man wird diesen Hans mit dem Bruder des Boldewijn gleichsetzen dürfen. Demnach waren Boldewijn, Hans und Trientje Scharpenborg Geschwister, und Boldwijn hatte in dritter Ehe eine Verwandte seines Schwagers Arent Stevens geheiratet.

Bei keiner der Trauungen wird ein Herkunftsort genannt, was aber zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich ist. Die Vornamen Boldewijn und Hans lassen aber eine Herkunft aus Heede vermuten. In Groningen sind die Geschwister jedenfalls nicht getauft.

Am 26.5.1681 heiraten in Groningen "Frerick Scharpenborgh van He" und Geertruit Jans aus Groningen. Das Paar hat fünf Kinder: Tobejen ~ 24.2.1682, Teubichje ~ 23.7.1684, Teubichje ~ 4.12.1685, Jannes ~ 3.7.1687, Maria ~ 11.10.1689. Am 8.6.1681 heiraten in Groningen "Jan Michiels van Groningen" und "Gesien Scherpenborghs van Hee" in Westphalen. In einer Erbschaftsangelegenheit wird sie 1737 Geesjen Harmens genannt, die Eintragung ist undeutlich formuliert, es scheint aber, dass sie in Heede gewohnt haben. Kinder dieses Paares sind in Groningen nicht zu finden. Frerick (Friedrich) und Gesien (Gesina) Scharpenborgs stammen also aus Heede. Wahrscheinlich waren sie auch Geschwister.

 Am 9.11.1712 heiraten in Groningen "Jannes Scharpenborgh van Hee bij Boirtange" und "Geertruid Pellegrams van Rade bij Duisburg", Geertruids Vormund ist "Derck van Langen als Swager." Dieser Derck wurde als Theodor Christopher von Langen in Lathen geboren, war Schmied in Groningen und seit 1697 mit Geertruids Schwester Maria verheiratet. Jannes und Geertruid hatten zwei Kinder: Margareta ~ 13.11.1713 und Joannes ~ 2.12.1714. In zweiter Ehe heiratet "Jan Scharpenborgh van Hee uijt Westphalen" am 16.2.1719 die "Jantjen Jans, weduwe van Jan van Loo". Diese Ehe ist auch in den Büchern der katholischen "Statie Carolieweg" eingetragen, allerdings unter dem 14.2.1719. Ein Kind des Paares wurde am 15.9.1712 in der Statie Carolieweg auf den Namen Joanna getauft.

Wir sehen also, dass es verschiedene Personen aus Heede gibt, die den Namen Scharpenborg tragen und nach Groningen "auswanderten". Und dies zu einer Zeit, als der letzte männliche Scharpenborg/-berg in Heede längts tot war, denn Engelbert von Scharpenberg starb 1653 als letzter seiner Familie ohne männliche Erben. Aber von wem stammten diese Scharpenborgs dann ab?

 

Die Familie Hansen in Heede

Im Jahr 1657 wurde in Heede ein Kommunikantenregister erstellt. Dort finden sich zwei Familien Hansen: 

Joest Hansen      Hermen Hansen 
Geseke uxor Tobe uxor 
Annike filia 6  Hans 12 
  Hermen Friderich 10 
  Geseke 8
  Aicke 6 
  Annike 4 

Das Personenschatzungsregister von 1672 führt unter "Leibzüchter und Backheußer" beide Familien auf:

Joest Hanßen, fraw, 2 minderjährige Kinder     -     Hermann Hanßen, fraw

Ebenso finden sich in der Hausstätteschatzung 1677 unter den "Kotters, Brinksitz u. Backheusers"

Joest Hanßen      -      Herm Hanßen    

In Heede gibt es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwei Familien Hansen, die anhand der 1719 beginnenden Kirchenbücher mit ihren Kindern greifbar sind.

I. Hermann Hansen * um 1685 + 19.7.1749 Heede oo vor 1714 Anna N. + (1689) + 13.5.1773 Heede 

 Kinder:

1. Margaretha Hansen * (1714) Heede [] 27.7.1789 Heede I. oo vor 1742 Hermann Hinrichs gen. Crabaten, * um 1719 Heede + 21.7.1749 Heede II. oo Jan. 1752 Heede Heinrich Walkenhorst [] 21.3.1781 Heede

2. Hermann Hansen * (1720) Heede [] 30.5.1778 Heede oo vor 1756 Maria Stolte (1736) Heede [] 30.11.1811 Heede

3. Anna Hansen * (1722) Heede oo 1747 Heede Heinrich Abels * (1714 ) Heede + 2.6.1758 Heede 

4. Johann Hansen ~ 5.10.1727 Heede + 17.7.1743 Heede 

5. Catharina Hansen ~ 18.1.1728 Heede + 9.1.1790 Aschendorf oo 23.11.1756 Aschendorf Johann Büldt ~ 13.1.1726 Aschendorf + 23.3.1794 Aschendorf

II. Engelbert Hansen * (1695) + 17.3.1764 Heede oo vor 1721 Helena Cossmann * (1699) + 6.1.1757 Heede 

 Kinder:

1. Tobia Hansen ~ 29.3.1721 Heede + 11.7.1742 Heede

2. Johann Hansen * (1722) Heede + 29.8.1765 Heede oo I. 9.4.1758 Heede Anna Maria Conen * (1738) Heede + 24.11.1759 Heede oo II. vor 1762 Elisabeth Tallea Scheper * um 1735 Dörpen + 28.12.1775 Heede

3. Hermann Hansen ~ 22.9.1728 Heede [] 21.9.1795 Heede

4. Catharina Hansen ~ 13.1.1734 Heede + 16.8.1770 Heede oo vor 1758 Swibertus Henrichs Hunfeld ~ 30.5.1726 Heede [] 11.1.1798 Heede

5. Engelbert Hansen ~ 3.2.1736 Heede [] 17.6.1783 Heede oo vor 1766 Heede Gertrud Borgmann * Tunxdorf ~ 30.1.1728 Aschendorf

 

Die Scharpenborg in Groningen (3. Teil)

Friedrich Scharpenborg und seine Schwester Gesina sind unter dem Namen Scharpenborg im Heeder Kommunikantenregister von 1657 nicht zu finden, obwohl sie zweifellos von dort stammen. Das Kommunikantenregister von 1657 führt in Heede nur 3 Personen mit dem Namen Friedrich auf: zuerst Hermann Friedrich von Pinninck, den Besitzer der Scharpenburg, hier "Fridericus Pinninck" genannt, den zweijährigen Sohn "Frederigsken" der Eheleute Johann und Anna Schuckenbrock sowie der oben genannte "Hermen Friderich" Hansen, den Sohn von Hermann Hansen und Tobe. Der Hof Schuckenbrock war dem Gut Scharpenborg eigenhörig. Es kommt oft vor, dass Grundherren bei den Kindern ihren Eigenhörigen und Pächter als Taufpaten auftreten. Meist waren sie bei den Taufen nicht einmal persönlich anwesend, sondern ließen sich vertreten. Frederigsken Schuckenbrock wird solch ein Patenkind des Hermann Friedrich Pinninck sein. Hermann Friedrich Hansen kann man wohl sicher als Patenkind von Hermann Friedrich Pinninck ansehen, ein Zufall ist bei so einer seltenen Namenskombination wohl ausgeschlossen.

Im Emsland und noch stärker in den Niederlanden wurden die Kinder fast immer nach den Großeltern benannt, und zwar zuerst nach den Großeltern väterlicherseits, dann nach den Großeltern mütterlicherseits. Friedrich Scharpenborg nennt seine älteste Tochter Tobejen (Tobia) und den ältesten Sohn Jannes (Johannes/Hans). Ich gehe davon aus, dass der um 1647 in Heede geborene Hermann Friedrich Hansen identisch ist mit Friedrich Scharpenborg in Groningen, zumal dieser seine älteste Tochter Tobia nennt, wie auch Hermann Friedrich Hansens Mutter heißt. Beide haben eine Schwester Gesina, die 1737 mit dem Patronym Harmens benannt wird. Als Sohn von Hermann Hansen darf man davon ausgehen, dass Friedrichs ältester Sohn ebenfalls Hermann hieß. Dies Geburt von diesem Hermann könnte 1683 oder 1686 zwischen den Geburten der anderen Kinder stattgefunden haben, vielleicht wurde der Eintrag ins Taufregister vergessen, oder dieser Hermann wurde anderswo, vielleicht in Heede geboren. Der dann zweite Sohn Jannes hieße dann nach seinem mütterlichen Großvater, dem Vater von Geertruit Jans. Der in Heede gebrauchte Name "Hansen" ist ein Patronym und bedeutet "Sohn des Hans". Das Register von 1657 ist voller patronymischer Familienamen wie Jochems, Wilckens, Jansen, Rolffs, Gerdes, Berndts oder Arndts. Ein schönes Beispiel ist die schon erwähnte Familie Schuckenbrock. Der Hausvorstand ist ein "Roloff Schoekenbrock", sein Sohn heißt nur Johann Rolffs, ohne den Zusatz Schoekenbrock. Auch der älteste Sohn des Hermann Hansen heißt Hans und war 1657 12 Jahre alt. Hermanns Vater, der 1657 schon tot war, dürfte demnach ein Hans Scharpenborg gewesen sein.

Wie oben gesehen ist ab 1653 das Geschwisterpaar Hans, Boldewin und Catharina Scharpenborg in Groningen ansässig, hier dürfte es sich um Geschwister des Hermann Hansen handeln. Auch ein Goeke Hansen, der 1658 als Knecht der Tetta von Scharpenberg geb. v. Plettenberg erwähnt wird, könnte zu den Geschwistern zählen. Hermann Hansen nennt seine erste Tochter Anna, ebenso seine vermuteten Brüder Joest Hansen und Boldewin Scharpenborg, dessen erster Sohn auch wieder Joannes getauft wird. Ihre gemeinsamen Eltern müssen also ein Hans Scharpenborg und eine Anna gewesen sein. Boldewin Scharpenborgs Mutter wird am 9.12.1665 in Groningen begraben, allerdings ist ihr Vorname in der Quelle nicht angegeben: "Anno 1665 verstorven gildebroers en susters wanneer zij zijn begraven: 9 xbris ho.(veling?) B. Scharpenborgs moeder."  Vielleicht ist sie als Witwe zu ihrem Sohn nach Groningen gezogen, oder hat sich zum Zeitpunkt des Todes dort zur aufgehalten. 1664-1667 wütete im Emsland und in Groningen die im Zuge des Münsterisch-Holländischen Krieges eingeschleppte Pest.

Es fällt auf, dass ein und dieselbe Familie in Groningen Scharpenborg, in Heede aber Hansen heißt. Dies ist wohl dadurch zu erklären, dass sich der Heeder Pfarrer bei der Aufstellung des Kommunikantenregisters 1657 gescheut haben mag, die Familie mit dem ursprünglichen Namen Scharpenborg einzutragen und deswegen lieber das Patronym genommen hat. Vielleicht hat ein Teil der Familie in einem der Nebengebäude in unmittelbaren Nähe der zuletzt 1673 zerstörten Burg Scharpenborg gewohnt (die zu einem Wohnhaus umgebaute ehemalige Zehntscheune der Burg stand bis 1873), was dazu geführt haben mag, dass der ursprüngliche Name Scharpenborg nicht völlig durch das Patronym Hansen verdrängt wurde. Die außerhalb Heedes in Groningen und Leer lebenden Familienmitglieder haben immer den Namen Scharpenborg bevorzugt. Wie weiter unten zu sehen sein wird, wird auch später in Heede sowohl der Name Hansen, als auch der Name Scharpenborg gleichzeitig verwendet.

 

Die Familie Hansen in Heede (2. Teil)

Da die Heeder Kirchenbücher erst um 1720 beginnen, ist die Zuordnung der in Heede gebliebenen Mitglieder der Familie für die Zeit davor sehr schwierig. Die Vererbung von Vornamen und ab 1720 die Patenschaften bei den Geburten der Kinder lassen zumindest gewisse Rückschlüsse zu. Die unten abgebildete Stammtafel ist deswegen nur als Hyopthese zu verstehen.   

Während die Nachkommen des 1647 geborenen Hermann Friedrich Scharpenborg in Groningen geblieben zu sein scheinen, dürfte sein 1645 geborener älterer Bruder Hans Hansen der Stammvater der Familie Hansen in Heede sein. Wahrscheinlich ist er der Vater von Johann Hansen (1722 im Sterberegister Johann Scherpenborg genannt) und Hermann Hansen (+ 1749). Johann Hansen dürfte der Vater von Engelbert Hansen (+1764), Jodocus Jansen Scharfenborg (+ 1747) und wohl auch von jenem "Jannes Scharpenborgh van Hee bij Boirtange"  sein, der 1712 in Groningen heiratet, denn dessen Kinder erben später Güter von Gesjen Harmens Michiels, die eine Tante des 1722 gestorbenen Johann Scharpenborch war. Von Engelbert stammt ein Teil der Heeder Hansen ab, der Rest von seinem Onkel Hermann, der 1747 starb. Jodocus Jansen Scharpenborg ist Stammvater der Familie Josten, später Jossen genannt.  

Jost Hansen hatte wahrscheinlich neben der 1651 geborenen Tochter Anneke noch weitere Söhne, darunter wohl einen Johann, der Immeke Connemann, die Witwe des vor 1684 verstorbenen Hermann Connemann heiratete. Dies würde den Namen Jodocus Connemann bei einem seiner Söhne erklären. Ein Sohn Jost Scharpenborg heiratete um 1700 eine Angela Hebbelmann, seine Linie erlosch in der übernächsten Generation. Auch der 1738 gestorbene Engelbert Scharpenborg gehört vielleicht hierher. Seine Söhne Christian und Heinrich Scharpenborg ziehen beider später nach Leer, bei den Taufen von Heinrichs Kindern treten wieder Mitglieder der Familie Connemann und Hebbelmann auf. Diese (in vielen Teilen unsichere) Stammtafel zeigt die vermuteten Zusammenhänge: 

Ein urkundlich nicht genannter, vor 1657 gestorbener Hans Scharpenborg dürfte also der gemeinsame Stammvater der Familien Hansen und Scharpenborg sein, aber welchen sozialen Status hatte seine Familie? Beginnen wir mit dem nach Groningen ausgewanderten Boldewin Scharpenborg. In Groningen wird er 1676 als Fähnrich bezeichnet. Im Kriegshaufen der Landsknechte war der Fähnrich der Träger des Feldbanners, um das sich Kompanie oder Fähnlein scharte. Der vom Obristen ernannte Fähnrich musste als besonders zuverlässig und tapfer gelten und schwören, die Fahne bis zum Tode zu verteidigen. Es war ihm unter allen Umständen verboten, die Fahne loszulassen oder gar auf die Erde fallen zu lassen. In Kriegsbüchern des Dreißigjährigen Krieges ist dazu festgelegt, sich in die Fahne einzuwickeln oder mit den Zähnen zu halten, sollte man keine Arme mehr haben. Der Nimbus der Fahne, die als Allerletztes fällt und dann noch unter allen Umständen in der Truppe verbleiben muss, entstand aus der Tatsache, dass im Kampf die – oft grellbunten – Banner über Jahrhunderte die wichtigste Möglichkeit der Standortbestimmung von Truppenteilen darstellten, waren sie doch im dicksten Getümmel und bisweilen noch im Pulverdampf zu erkennen. Hochgehalten zeigten sie, wo und ob die Truppe noch vorhanden war, denn war der Fähnrich gefallen, konnte man davon ausgehen, dass auch die Landsknechte des Fähnleins tot oder zumindest kampfunfähig waren. Desaströs wirkten sich in Feindeshand gelangte Fahnen aus, sie wurden sofort zur Irrleitung der scheinbar eigenen Truppen zweckentfremdet, was sie in den sicheren Untergang führte und letztendlich entscheidend für den Ausgang einer Schlacht sein konnte.

Fähnrich im 17. Jahrhundert
  Fähnrich (17. Jahrhundert)

In einem Reglement von 1726 für Sachsen ist zu lesen: Die Fähndrich-Stelle ist die erste und niedrigste Ober-Officir-Charge, die gemeiniglich einem jungen, qualificirten Menschen anvertraut wird. An sich selbst ist sie eine Adeliche Charge […] Die Function eines Fähndrichs bestehet darinnen, daß er vor allen Dingen das ihm anvertraute Fähnlein bey dem Marsche und Zügen führen, auch solches bis auf den letzten Blutstropfen verdefendiren muß … Ein Fähnrich war also mitnichten ein einfacher Soldat, sondern gehörte zu den Offizieren, was sich auch im Gehalt ausdrückte. Ein Fähnrich erhielt das Siebenfache eines Musketierlohnes, ein Leutnant im Vergleich dazu das Achtfache, ein Hauptmann sogar mehr als das den 16fachen Sold eines einfachen Soldaten. Meist waren die Fähnriche also Adelige, oder sie stammten doch zumindest aus angesehenen Familien, die dem Adel gleichgestellt waren.

Von Joest Hansen wissen wir, dass er nach 1666 Kirchenobmann und Armenpfleger war. Als Kirchenobmann war er für Vermögen (Kirchenkasse), Gebäude, Grundstücke und andere Werte der Pfarrei zuständig, am ehesten ist dieses Amt mit einem heutigen Kirchenvorstand vergleichbar. Der Armenpfleger verwaltete die Armenkasse, die in der damaligen Zeit ohne staatliche Sozialfürsorge eine wichtige Funktion innerhalb des Dorfes hatte. Aus der Armenkasse wurden alte, arbeitsunfähige, aber auch kranke Personen und Bettler der Gemeinde alimentiert. Der Armenpfleger verwaltete die Spendengelder und führte ein Liste mit Einnahmen und Ausgaben. Diese Funktionen lassen auf einen Mann schließen, der nicht nur gut beleumundet war, sondern sich auch auf Kassen- und Buchführung verstand. Beide Ämter waren Ehrenämter, die ohne Bezahlung ausgeübt wurden. 1669 ist er Zeuge, als Anna Alma geb. von Scharpenberg Wwe. Pinninck mit ihrem Munbar Johan Roß, Vogt zu Heede, und ihrem ältester Sohn Engelbert Christian von Pinninck dem Johann Heinrich Martels, Rentmeister im Emsland und Richter auf dem Hümmling, und dessen Ehefrau Marie Osthoff ihren allodialen Kornzehnt zu Groß-Stavern auf dem Hümmling verkaufen. Hier zeigt sich eine Verbindung zur Familie von Scharpenberg. Joests wahrscheinlicher Bruder Goeke Hansen war 1658 Knecht der Tetta von Scharpenberg geb. v. Plettenberg. Ein Knecht in einem adeligen Haushalt stand nicht wie andere Knechte auf dem Feld und streute Mist, sondern fungierte als Diener und kümmerte sich um die Belange der Herrschaft. Der Drost Kaspar von Fürstenberg (1545-1618) hatte mehrere uneheliche Kinder, die bei ihren adeligen Halbgeschwistern als Diener angestellt waren. Die Tatsache, dass Joest und Hermann Hansen 1672 und 1677 in der Personen- und Hausstätteschatzung nur unter den Brinksitzern, Leibzüchtern und Backhäusern aufgeführt werden, sagt nichts über ihre tatsächliche finanzielle Situation aus, sondern bezieht sich auf den nominellen Anteil, den ihr jeweiliger Haushalt an der Gemeinen Mark (siehe meinen Text über Hofesqualität) hatten. Als nicht zu den alten Erben und Köttern gehörende Dorfbewohner war ihr Anteil an der Allmende nur gering. Dies erklärt auch das Fehlen des Namens Hansen oder Scharpenborg in der Liste der Erbeingesessenen von 1686 bei der Verpfändung des Heeder Spieks an Albert Sievers zum Hunfeld.

Wappen Scharpenberg
Wappen Scharpenberg (Bruno Scharnberg)

Leider ist von Hans Scharpenborg, dem vor 1657 verstorbenen "Gründer" der Familie, kein Zeugnis erhalten. Aus der sozialen Stellung seiner Kinder lässt sich aber schließen, dass er sowohl angesehen, als auch finanziell besser gestellt gewesen sein muss. Der Nachname seiner Nachkommen "Scharpenborg" identifiziert ihn als Mitglied der Familie von Scharpenborg, das Fehlen des adeligen Prädikates "von" zeigt aber, dass er kein Adeliger war, sondern unehelich geboren wurde. Als mögliche Väter gibt es zwei Kandidaten. Zum einen Hans Vollhardt von Scharpenberg/-borg * um 1575 + 1635, Herr zu Niendorf an der Stecknitz und Besitzer der Scharpenburg in Heede und sein Halbbruder Engelbert von Scharpenberg/-borg * um 1582 + 1653, Herr zu Scharpenborg. Da Hans Vollhardt noch vor 1613 seine Besitzansprüche in Heede an seinen Halbbruder Engelbert abtrat, ist er der weniger wahrscheinlichere Vater. Hätte dieser einen unehelichen Sohn gehabt, dürfte man erwarten, dass er in seiner Nähe, also in Niendorf gewohnt und finanziell ausgestattet worden wäre. Engelbert hingegen, der vor 1613 die Scharpenborg übernahm, ist viel wahrscheinlicher als Hans Scharpenborgs Vater zu vermuten. Er war beim Tod seines Vaters im Jahre 1598 noch "minderjährig" also jünger als 21 Jahre, hatte aber schon vor 1614 Tetta von Plettenberg geheiratet. Geboren sein wird er um 1585. Die Kinder von Hans Scharpenborg sind um die Mitte der zwanziger Jahre des 17. Jh. geboren, er selber dann etwa zwanzig Jahre vorher. Engelbert von Scharpenberg kann zeitlich gesehen durchaus schon vor seiner Eheschließung Vater eines unehelichen Sohnes geworden sein. Zur Mutter von Hans Scharpenborg gibt es keine Hinweise, man wird sie, wie in ähnlichen Fällen, wohl unter den weiblichen Bediensteten des Gutes Scharpenborg vermuten können.  

 

 

Zusammenfassung

Die nach dem 30jährigen Krieg in Groningen auftretenden Familie Scharpenborg stammt ursprünglich aus Heede, wo sie in den Steuerlisten unter dem Namen Hansen aufgeführt wird. Der Stammvater dieser Familie war ein Hans Scharpenborg, der vor 1657 gestorben sein muss und ein Bastard der adeligen Familie von Scharpenberg/-borg war. Sein Vater war wahrscheinlich der 1653 gestorbene Engelbert von Scharpenberg. Über die Familien Hansen, Scharpenborg, Connemann und Jossen gibt es heute zahlreiche Nachkommen dieser Familie in Heede, Groningen, Leer und der Umgebung.

Ahnenliste des Hans Scharpenborg * um 1605 + vor 1657

 

Quellen und Literatur:

Hermann Abels, Beiträge zur Heeder Ortsgeschichte, Heede 1978

Rudolf vom Bruch, Die Rittersitze des Emslandes, Münster 1962

Reinhard Cloppenburg, Die Kommunikanten- und Bevölkerungsregister des Amtes Meppen unter Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg (1625-1661). Sögel 1992 (Beiträge zur Emsländischen und Bentheimer Familienforschung, Bd. 1)  

Alfons Dietrichsdorf, Der Grabstein des Wollrath Nagell v. Scharffenberg in Heede, in: Jahrbuch des Emsländischen Heimatbundes, Bd. 22, Meppen 1976, S. 82-95

Oscar Perreau de Pinnick, Walter Tenfelde, Die Pinninck's, Chronik einer deutsch-holländischen Familie, Sögel 1985

Kirchenbücher von Groningen und Heede


Ich selber stamme auf folgendem Weg von Hans Scharpenborg ab:

 Hans Scharpenborg ca 1605-vor 1657
|
Hermann Hansen ca 1625-nach 1677
|
Hans Hansen 1645-?
 |
Johann Hansen ca 1675-1722
 |
Engelbert Hansen 1695-1764
|
Engelbert Hansen 1736-1783
|
Engelbert Hansen 1766-1809
 |
Heinrich Hansen 1793-1832
|
Engelbert Hansen 1814-1882
|
Anna Catherina Hansen 1844-1920
|
Margaretha Schröder 1882-1945
|
Katharina Anna Albers 1919-2004
|
Frieda Philipps 1939
|
Bernd Josef Jansen 1969